Geschichte entdecken

Fabriken für schwere Maschinen und landwirtschaftliche Geräte standen im 19. Jahrhundert  Stein an Stein mit Bildungseinrichtungen und Wohnungen nahe dem Reutlinger Stadttor. Das Reutlinger Bruderhaus mit zahlreichen Arbeitsplätzen für Menschen mit und ohne Behinderung war eine kleine Stadt für sich – mit einem Garten zur Erholung sowie Ackerbauflächen – obendrein bekannt für seine vorbildliche Lehrlingsausbildung. Hier lernten sich die berühmten Automobilkonstrukteure Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach kennen. Maybach zeichnete hier seinen ersten Motor. Jetzt können sich Interessierte auf dem Reutlinger Kulturplatz über diese Zeit informieren: Ein Geschichtspfad mit sieben Stelen und zwei Überblickstafeln ist installiert.

Bilder und Texte wecken Erinnerungen

Robert Hahn, Verwaltungsbürgermeister der Stadt Reutlingen, betonte bei der Eröffnungsveranstaltung am 13. Juni, „der Erinnerungspfad ermöglicht der Bevölkerung einen leichten Zugang zur Geschichte.“ Der Stadt sei es ein wichtiges Anliegen, auf diesem Platz an die Sozial- und Industriegeschichte vor 168 Jahren zu erinnern. „Das Krankenhäusle ist noch sichtbarer Ausdruck“, ergänzte er mit Bezug auf das historische Backsteingebäude auf dem Gelände. Hahn dankte dem Grafiker Hansjörg Brucklacher für die Gestaltung der Tafeln. Das Redaktionsteam bildeten Martina Schröder, stellvertretende Leiterin des Reutlinger Heimatmuseums, sowie Susanne Zolling, verantwortlich für das historische Archiv der BruderhausDiakonie und Sabine Steininger, Leiterin der Abteilung Stiftungsmanagement Kommunikation der BruderhausDiakonie.

Talente entfalten – Persönlichkeit stärken

Pfarrer Lothar Bauer, Vorstandsvorsitzender der BruderhausDiakonie, lobte das pädagogische Talent von Gustav Werner, der mit seiner Frau Albertine die Gustav Werner Stiftung zum Bruderhaus gegründet hatte. Mit Hilfe seiner Hausgenossenschaft hatte Werner ab 1840 zunächst in Reutlingen, später in ganz Württemberg Fabriken, Kleinunternehmen, Lehrlingswerkstätten, Bildungs- und Versorgungseinrichtungen für Arme, Bedürftige und Waisen aufgebaut. „Wenn ich sie mit dem vierzehnten Jahr in die Welt hinaussende, so ist meistens all meine Arbeit an ihnen verloren, bleiben sie aber unter meiner Aufsicht, so sind sie weit eher vor der Verführung bewahrt, und ich kann sie zu tüchtigen Menschen und Arbeitern bilden, die einst auch wieder für den Dienst an der armen Menschheit verwendet werden können“, zitierte Pfarrer Lothar Bauer den Theologen Gustav Werner. Dieser förderte die jungen Lehrlinge mit zusätzlichem Unterricht entsprechend ihrer Talente; so auch Wilhelm Maybach, den Werner als zehnjährigen Waisen ins Bruderhaus aufgenommen hatte.

Diakonie- und Industriegeschichte erleben

Andrea Sliwka, Leitung Grünflächen Neubau der Stadt Reutlingen, lobte das neue „Fenster in die Vergangenheit. Die Leute finden zwar alles im Internet, aber sie brauchen auch etwas vor Ort, das ihnen ein Gefühl von Heimat vermittelt.“ Die stellvertretende Leiterin des Reutlinger Heimatmuseums, Martina Schröder, gab einen Überblick über das einstige Bruderhausgelände. „Hier war Schwerindustrie vor den Toren der Stadt. Die Maschinenfabrik zum Bruderhaus hat Papiermaschinen gefertigt und europaweit geliefert." Gustav Werner habe christliche Fabriken geschaffen, solche mit Genossenschaftssinn, wo Menschen mit Handicap wie auch Waisen arbeiten konnten.

Details zur Geschichte erhalten Interessierte auch in der Ausstellung im Gustav Werner Forum im ehemaligen Krankenhäusle, dem historischen Backsteingebäude auf dem Gelände.

Bildergalerie

Martina Schröder, stellvertretende Leiterin des Reutlinger Heimatmuseums, gibt eine Übersicht über das einstige Bruderhausgelände und den neuen Geschichtspfad.
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Sieben Stelen und zwei Überblickstafeln informieren über die Geschichte des Bruderhausgeländes.
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