Wenn Manfred Kaiser (Name geändert) seine Pflanzen gießt, blüht er auf: Von Jugend an faszinieren ihn Grünes und bunte Blüten. In der Drei-Zimmer-Wohnung in seinem Heimatort Meßstetten kümmert er sich um Grünlilien und Kakteen. Am Esstisch spricht der 40-Jährige offen über seine Probleme: Alkoholabhängigkeit, Depression, Lese- und Rechtschreibschwäche. Seit einiger Zeit ist er in Privatinsolvenz. Mit Unterstützung der BruderhausDiakonie lebt er dennoch mitten in der Gemeinde. Nach längerem stationärem Aufenthalt unterstützt ihn Johannes Amann, Mitarbeiter der Sozialpsychiatrie Zollernalb der BruderhausDiakonie, im Rahmen des ambulant betreuten Wohnens. Amann besucht ihn einmal pro Woche. Die Suchtberatung Balingen hat diese Betreuung vermittelt. Ärztlich ist Kaiser an die Psychiatrische Institutsambulanz Albstadt angebunden – unweit seiner neuen Arbeitsstelle in einer Werkstatt.

20 Jahre lang hat der Klient als Bauhelfer gearbeitet

„Ich bin auf einem Auge blind“, sagt Kaiser. „Aber das wurde zu spät festgestellt, sonst hätte man in der Kindheit noch etwas machen können.“ Er besuchte eine Förderschule, einen Schul- oder Berufsabschluss hat er nicht. Zum Trinken gekommen sei er durchs Handballspielen. „Ob wir gewonnen oder verloren haben – wir haben immer getrunken“, erzählt Kaiser. Mit 18 Jahren verursachte er bei 200 Stundenkilometern einen schweren Autounfall, der ihn fast das Leben kostete. „In der Reha musste ich dann alles wieder neu lernen.“ Trotz solcher Unterbrechungen arbeitete er 20 Jahre lang als Bauhelfer. Wie viele Alkoholiker erlebte er Rückfälle: Achtmal war er zur Entgiftung in der Klinik, zweimal in Langzeittherapie. „Während der Arbeit habe ich nie getrunken“, berichtet er, „nur abends, nachts und an den Wochenenden.“ Zu seinen „Spitzenzeiten“, wie er es nennt, sei das eine Kiste Bier am Tag gewesen.

Regelmäßige Gespräche helfen ihm trocken zu bleiben

Unter Alkoholeinfluss verlor Manfred Kaiser viermal den Führerschein. „Zuletzt bin ich mit 2,4 Promille an der Leitplanke vor einem Tunnel hängen geblieben. Ich hätte tot sein können“, weiß Kaiser, der vergleichsweise glimpflich davonkam. Von seinem Auto blieb nicht viel übrig: Totalschaden, der kreditfinanzierte Wagen war wertlos. Nach einem Bandscheibenvorfall verlor er zudem seinen Job und rutschte in die Privatinsolvenz. „Ich habe mich oft alleine gefühlt und meinen eigenen Wert nicht gesehen. Zum Glück ist mir rechtzeitig klar geworden, dass ich Hilfe von außen brauche.“ Sein Betreuer Johannes Amann spricht mit ihm über Alltägliches, aber auch über den Umgang mit Konfliktsituationen oder mit Suchtdruck. „Durch die regelmäßigen Gespräche bin ich immer auf dem Laufenden und Herrn Kaisers Abstinenz wird gefestigt“, erklärt Amann. Gemeinsam haben die beiden einen Kriseninterventionsplan erarbeitet und ein Hilfenetz aufgebaut. „Wenn es mir schlecht geht, rufe ich meine Ärztin oder meine Freundin an“, sagt Kaiser. Auch das 24-Stunden-Krisentelefon der BruderhausDiakonie im Zollernalbkreis kann er nutzen.

Die Unterstützung durch den Betreuer gibt Halt

Im Moment hilft Johannes Amann dem Klienten auch in finanziellen und behördlichen Angelegenheiten – etwa dabei, den Führerschein wiederzubekommen. „Ich bin sehr dankbar für die Unterstützung beim Schriftverkehr“, sagt Kaiser. Gut laufe es auch an seinem Arbeitsplatz. Mit Montage- und Verpackungsarbeiten erziele er dort ein Einkommen auf dem ersten Arbeitsmarkt – wenngleich zum Mindestlohn. In der Freizeit würde Kaiser gerne Darts spielen. Vom Besuch einer Darts-Kneipe rät ihm Johannes Amann allerdings ab: Das Risiko eines Rückfalls wäre zu hoch. Dass ihn sein Betreuer regelmäßig zu Hause besucht, empfindet Kaiser als Kontrolle im positiven Sinne: „Das gibt mir Halt.“

Autor: Andreas Straub