Vier Milliarden Smartphones gebe es bereits auf der Welt. Jede und jeder könne von jedem Ort aus im Internet Nachrichten manipulieren, Ereignisse in ein unwahres Licht rücken und alles sei sofort sichtbar, informierte der Tübinger Universitätsprofessor Bernhard Pörksen in seinem Vortrag „Fakten und Fakes – was wir wissen müssen und tun sollten“. So habe die amerikanische Tageszeitung The Washington Post analysiert, dass der aktuelle amerikanische Präsident mehr als acht Mal pro Tag die Unwahrheit verbreite. Hinzu kämen viele andere wie ein Radiomoderator aus Palm Beach, Florida, der mit falschen Wettermeldungen zum Hurrikan Irma zahlreiche Menschen getäuscht habe. Davor gelte es sich zu schützen, riet der Medienwissenschaftler den mehr als 80 Interessierten aus Wirtschaft und Sozialwirtschaft beim Kirchberger Dialog im Kloster Kirchberg bei Sulz am Neckar. Bei der dreitägigen Veranstaltung der BruderhausDiakonie und der Samariterstiftung, die am 29. Januar 2020 endete, hielten sieben Referenten Impuls-Referate zum aktuellen Veränderungsprozess in diesem Jahrzehnt.

Wie kann Transformation gelingen?

Die der Veranstaltung übergeordnete Frage versuchte Kabarettist Thomas Kreimeyer täglich in einem humorvollen Frage- und Antwort-Spiel mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu lösen. Das Lachen vieler konnte jedoch die teilweise düsteren Prognosen der Referenten nicht aufhellen. „Wir zerstören unsere Welt“, betonte Expertin Jeanette Huber, Associate Director des Zukunftsinstituts in Frankfurt. Sie zitierte wissenschaftliche Erkenntnisse zahlreicher Autoren zum Thema Zukunft. Naturzerstörung sei ein existenzielles Problem, sagte sie und forderte „eine neue Ethik, um zum Beispiel in einem geschlossenen Kreislauf ohne Emissionen produzieren zu können, um Ressourcen zu nutzen, zum Beispiel Handys wieder zu verwerten, oder um anders zu reisen oder um unser Konsumverhalten zu überdenken“. Mensch und Natur sollten auf Augenhöhe sein.

„Menschen rücken den Selbstverzicht in den Mittelpunkt ihres Lebens.“

Huber führte als Beispiel die stetig steigende Zahl der Veganer an. Im Dialog mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern beantwortete sie die Frage nach gesetzlichen Regelungen: „Wir brauchen alles: gesetzliche Vorgaben, aber auch eine Ethikkommission, die handeln kann, damit wir die Akteure für unsere Zukunft sind.“ Dies sei insbesondere beim Einsatz von künstlicher Intelligenz notwendig, die in vielen Bereichen helfen könne, zu schnelleren Ergebnissen zu kommen. „Doch wir sollten zunächst die Ergebnisse verstehen, bevor mit diesen weitergearbeitet wird“, führte sie aus.
Auch Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen ermutigte, Akteur zu bleiben. Um beurteilen zu können, ob ein Video wahr sei oder ein Deepfake, benötigten wir Kompetenzen, die bereits in der Schule praxisnah vermittelt werden sollten. „Wir müssen medienmündig werden“, so Pörksen, „weil wir medienmächtig sind.“

Sich informieren, vernetzen und aktiv bleiben

Der Medienwissenschaftler forderte: „Wir müssen zur redaktionellen Gesellschaft werden mit den Maximen, die auch für guten Journalismus gelten: „Prüfe erst, publiziere später, höre auch die andere Seite, mache ein Ereignis nicht größer als es ist, berichte wahrheitsgemäß.“
Weitere Referenten boten ergänzende Perspektiven, vermittelten unter anderem Genuss und einen Ausblick auf soziale Absicherung. So lud Wanderkoch David Amthor zu einem vegetarischen Essen in stiller Gemeinschaft mit anschließendem Vortrag ein. Landtagsabgeordneter und Sozialexperte Thomas Poreski präsentierte, wie mit einer gesetzlichen Grundsicherung für viele ein sorgenfreieres Leben möglich wäre. Experte Thomas Derlin zeigte auf, dass zahlreiche Industriebetriebe bereits an klimafreundlichen Konzepten arbeiten. Jan Wulf-Schnabel verdeutlichte, wie Menschen mit Behinderung auch in Organisationen zu Experten werden können. Das Referenten-Duo Professor Karlheinz Geißler und Jonas Geißler gab Tipps für den individuellen Umgang mit dem Luxusgut Zeit. Der nächste Kirchberger Dialog findet im Januar 2021 statt.