Nützliches Werkzeug

Wenn Werte und Normen kollidieren, entstehen oft kaum lösbare Konflikte. Unterschiedliche Prägungen, Haltungen und Ansprüche von Klienten, Angehörigen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern führen zu Situationen im Pflege- und Betreuungsalltag, in denen Entscheidungen schwierig werden. Um Mitarbeitern ein Instrument in die Hand zu geben, das in solchen Situationen Entscheidungen erleichtern kann, führte die BruderhausDiakonie ethische Fallbesprechungen ein. Das sind moderierte Gespräche, deren Teilnehmer gemeinsam nach Möglichkeiten suchen, wie eine ethisch schwierige Frage gelöst werden könnte. Im Oktober haben die ersten Mitarbeiter/innen ihre Moderatorenausbildung beim Diakonischen Werk abgeschlossen.

Es muss nicht nur um existenzielle Themen gehen

„Die ethische Fallbesprechung ist ein gutes Werkzeug für die tägliche Arbeit“, meint ein Absolvent, der in einer Einrichtung der Behindertenhilfe arbeitet. Sie nütze Mitarbeitern, Klienten und Angehörigen gleichermaßen. Dabei müsse es nicht immer um existenzielle Themen gehen, wie er an Beispielen zeigt: „Ein Thema in der Behindertenhilfe sind etwa Wohnplatzwechsel, die oft von Mitarbeitern angeregt werden – oder auch das Zusammenziehen von Paaren“, sagt er. „Da sollte sich der Blick noch mehr öffnen für die Wünsche und Bedürfnisse der Klienten.“ Auch wenn Angehörige Erwartungen formulieren, die der Sorge um die Gesundheit des Klienten entspringen, aber tief in dessen Selbstbestimmung eingreifen würden, könne das Anlass für eine ethische Fallbesprechung werden. Etwa, wenn ein Vater vom Mitarbeiter fordert: „Schauen Sie bitte, dass mein Sohn nicht mehr raucht.“

Alle sollen Entscheidungen mittragen können

Stecken Mitarbeiter/innen in einer Situation, für die sie sich ethische Beratung wünschen, können sie bei ihren Vorgesetzten eine ethische Fallbesprechung beantragen. Diese klären dann mit einem Moderator, ob ein ethisches Problem vorliegt. Der Moderator beruft daraufhin eine Fallbesprechung ein, an der alle teilnehmen, die zur Lösung beitragen können: Pflegekräfte, Betreuungsmitarbeiter, Klienten, Angehörige, Ärzte. Sie sollen im moderierten Gespräch die Situation so analysieren, dass die letztendlich zu treffende Entscheidung von allen mitgetragen werden kann.

Ethische Fallbesprechungen erleichtern die Alltagsarbeit

Die frisch ausgebildeten Moderatorinnen und Moderatoren sind überzeugt: „Das ethische Fallgespräch wird die Arbeit bereichern.“ Eventuelle Bedenken entkräftet die Ethikbeauftragte der BruderhausDiakonie: Das ethische Fallgespräch stehe fälschlicherweise unter dem Verdacht, die Alltagsarbeit komplizierter zu machen, weiß sie. Das sei aber unbegründet: „Die Besprechung macht die Komplexität einer Frage sichtbar – und wenn diese dann gut durchdacht und besprochen ist, erleichtert das die Entscheidungen.“