Komplexität des Islam

Extremismus und Radikalisierung haben meist eine längere Vorgeschichte. Insbesondere junge Menschen sind empfänglich für Ideologien extremistischer Organisationen und für sinngebende Impulse. An diesem Punkt setzte der Fachtag der BruderhausDiakonie am 6. Oktober an.

Dr. Hussein Hamdan, Referent der Akademie Diözese Rottenburg-Stuttgart führte in die fünf Säulen des Islam ein. Er erläuterte die Unterschiede zwischen Sunniten sowie Schiiten und gab Erklärungen, wie es gelingen kann, Texte des Korans zu verstehen.

Er gab Tipps, wie sich Mitarbeiter in der Flüchtlingshilfe über den Islam informieren können: "Es gibt zum Beispiel eine Gebetszeiten-App, die man im Internet herunterladen kann. Ich erlebe es oft, dass Mitarbeiter überfordert sind, wenn die Hälfte des Integrationskurses plötzlich aufspringt und meint, sofort beten zu müssen", so Hamdan.

Zudem gelte es, interkulturelle Kompetenzen zu entwickeln. "Wir müssen uns als Gesellschaft überlegen, was uns wichtig ist: Wo kann ich persönlich Kompromisse eingehen? Und was ist zu tun, um aufeinander zuzugehen?" Ebenso gelte es, den Flüchtlingen Regeln aufzuzeigen; zum Beispiel, Regeln die sich aus dem Grundgesetz ableiten. "Flüchtlinge müssen dies akzeptieren und tolerieren."

Religion als Ressource nutzen

Prof. Dr. Friedrich Schweitzer von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Eberhard Karls Universität in Tübingen zeigte die Komplexität in der täglichen Arbeit in einem multikulturellen Umfeld auf. Er plädierte in seinem Vortrag für interkulturelle und interreligiöse Kompetenz bei der Begleitung junger Geflüchteter. "Es geht zum Beispiel darum, dass die Mitarbeiter in der Flüchtlingshilfe eine gewisse Religionssensibilität entwickeln. Durch die Flüchtlingskrise haben wir eine neue Situation in der Pädagogik, denn das Klientel bringt seine Religion mit sich." So brauchen viele Menschen die Religion als Ressource zur Krisenbewältigung, führte er aus. Gleichzeitig diene Religion Geflüchteten als Orientierung. Es sei allerdings auch unerlässlich, dass sich Flüchtlinge mit der christlichen Religion auseinandersetzen.

Pfarrer Lothar Bauer, Vorstandsvorsitzender der BruderhausDiakonie, wünschte sich eine kritische Auseinandersetzung und ein Aufeinanderzugehen der Religionen. "Wir dürfen keinen interkulturellen Dialog fürchten. Wir können nur erfolgreich sein, wenn wir Grenzen des Zusammenlebens setzen und unser religiöses Selbstverständnis suchen, um denen zu helfen, die Hilfe brauchen."

Interaktiver Workshop klärt auf

In einem Workshop erarbeiteten die Teilnehmer unter Anleitung eines Experten die Unterschiede zwischen Islam und Islamismus. Hierbei zeigte sich, wie eng die Grenzen zwischen dem Islam als Religion und dessen Politisierung zum Islamismus sein können.

Der Experte legte vor allem Augenmerk in die Präventionsarbeit der Flüchtlingshilfe. "Erkennen und Handeln: Wir dürfen Flüchtlinge nicht alleine lassen. Denn gerade in diesen Zeiten versuchen Islamisten, junge orientierungslose Flüchtlinge in eine radikale Form des Islams hineinzuziehen."

Über "Radikalisierung wie und warum?" sprach Ghida Haidar-Adis, Referentin der Landeszentrale für politische Bildung. Anhand eines Fallbeispiels erläuterte sie, wie Mitarbeiter in der Flüchtlingshilfe präventiv tätig werden können.

Die Tagung vermittelte fundiertes Grundwissen, um das Verhalten von minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen besser verstehen zu können.