Spätestens wenn Schule und Ausbildung beendet sind, drängen junge Erwachsene in die Selbstständigkeit. Das ist bei Menschen mit Behinderung nicht anders: Auch sie wollen selbstbestimmt und eigenverantwortlich wohnen und leben, mit anderen zusammen oder allein. Aus diesem Grund haben die Ambulanten Dienste der BruderhausDiakonie in der Region Ulm/Ostwürttemberg ein Angebot entwickelt, das junge Erwachsene mit Behinderung zwischen 18 und 35 Jahren auf dem Weg zur weitgehend selbstständigen Alltagsbewältigung unterstützt: das Begleitete Wohntraining. Ziel ist, sagt Jutta Eichstädt, Mitarbeiterin der Ambulanten Dienste, die Fähigkeiten der jungen Menschen zur Alltagsbewältigung „zu ermitteln, zu stärken und zu fördern“.

Beispiel für den möglichen Adressatenkreis

Sven Müller steht als fiktive Person idealtypisch für den möglichen Adressatenkreis des Begleiteten Wohntrainings: ein junger Mann mit geistiger Behinderung und einer leichten Intelligenzminderung, der noch bei seinen Eltern wohnt. Nach Abschluss der Förderschule arbeitet der 22-Jährige in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung (WfbM). Seine jüngere Schwester lebt bereits in einer Wohngemeinschaft, der ältere Bruder in der eigenen Wohnung. Wie seine Geschwister möchte auch Sven Müller auf eigenen Beinen stehen. Die Eltern respektieren das – wünschen sich aber fachliche Unterstützung für sich und ihren Sohn.

Fachkräfte ermitteln Stärken und Schwächen

Das Trainingsprogramm ist auf ein Jahr angelegt. Fachkräfte der BruderhausDiakonie kommen zu dem Klienten nach Hause, um sich einen ersten Eindruck von den vorhandenen Fähigkeiten und dem eventuellen Entwicklungsbedarf zu verschaffen. Nach der sechs- bis achtwöchigen Startphase, in der alle Beteiligten gemeinsam die Stärken und Schwächen des Klienten nach festgelegten Kriterien genauestens ermitteln, geht es in die gut halbjährige Trainingsphase: Individuelle Maßnahmen wie die Unterstützung bei der Körperpflege, bei der Auswahl angemessener Kleidung, beim Einkaufen und Kochen, beim Putzen und Waschen, beim Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel oder beim Aufbau von Kontakten etwa in Vereinen werden gezielt trainiert – in Einzel- und in Gruppenarbeit.

Perspektiven für das eigene Leben entwickeln

Während der abschließenden zweimonatigen Vertiefungsphase erarbeiten Klient und Fachkräfte gemeinsam Perspektiven – zum Beispiel in welcher Wohnform der Klient künftig leben kann und will oder in welchem Umfang er weiterhin Assistenz braucht. „Es muss dabei nicht sofort nach Abschluss des Begleiteten Wohntrainings zum Verlassen des bisherigen Wohnumfelds kommen“, meint Daniela Schmied, Teamleiterin der Ambulanten Dienste in der Region Ulm/Ostwürttemberg. Im Fall von Sven Müller führt der weitere Lebensweg in eine integrative Wohngemeinschaft: Nach Abschluss des Trainings kann er dort weitgehend selbstständig leben. Zweimal wöchentlich kommen die Fachkräfte des Ambulanten Dienstes und regeln mit ihm die Angelegenheiten, bei denen er noch Unterstützung braucht. Zudem pflegt er weiter engen Kontakt zu seinen Eltern und Geschwistern, die er regelmäßig besucht.