Individuelle Unterstützung kommt zu den Menschen

Das Bundesteilhabegesetz fördert die Umwandlung von stationären in ambulante Angebote - bei der Umsetzung setzt die BruderhausDiakonie auf Kooperation.
Ein junger Mann im Rollstuhl rollt mühelos über die abgesenkten Bordsteine in seinem Wohngebiet. Später wird er im barrierefreien Café einen Cappuccino trinken. Digitale Infotafeln im Quartier informieren in einfacher Sprache, mit Bildern und Ansagen. Seinen Einkauf erledigt der junge Mann im nahegelegenen Supermarkt, in dem die Gänge breit und die Regale niedrig sind. Was wie eine Utopie klingt, ist ein Zukunftsmodell, das Menschen mit Einschränkungen ermöglicht, selbstständig und selbstbestimmt zu leben. Der Kerngedanke des Bundesteilhabegesetzes ist ein Paradigmenwechsel: weg vom Fürsorgegedanken in der Eingliederungshilfe hin zur Förderung der Selbstständigkeit und Selbstbefähigung, weg von stationären Wohnformen mit standardisierten Angeboten hin zu eigenständigem Wohnen mit ambulanten Assistenzleistungen.
Hilfebedarf unabhängig von Ort denken
Für die BruderhausDiakonie als Leistungserbringerin bedeutet dies, stationäre Angebote, wo möglich, in ambulante umzuwandeln, Hilfebedarf unabhängig vom Ort zu denken und den Perspektivenwechsel zu vermitteln: den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, aber auch unterstützend an Klientinnen und Klienten und deren Betreuungspersonen. „Wir sind mittendrin in der Umsetzung“, sagt Jonas Kabsch, Geschäftsfeldleitung Teilhabe zum Leben. Die Vergütung aller Leistungen haben Leistungsträger und Leistungserbringer miteinander neu ausgehandelt. Die pauschalierte Abrechnung ist weggefallen.
Klienten auf neue Situation vorbereiten
„In der Behindertenhilfe war der Fürsorgegedanke seit Jahrzehnten fest verankert“, berichtet Jonas Kabsch. Seit das neue Bedarfsermittlungsinstrument Baden-Württemberg (BEI_BW) angewendet wird, müssen die Leistungsempfängerinnen und -empfänger oder ihre Betreuungspersonen die Bedarfe deutlich machen. Das bedeute zugleich, dass die Menschen über ihren Unterstützungsbedarf sprechen müssen, sagt Martina Mäder, Referentin Teilhabe zum Leben – Behindertenhilfe. Das falle vielen schwer. Eine Aufgabe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Eingliederungshilfe sei, die Klientinnen und Klienten auf den Dialogprozess vorzubereiten, sie zu befähigen, für ihre Bedarfe einzutreten. „Das ist auch eine Assistenzleistung.“ Haben die Leistungsempfängerinnen und -empfänger eine Betreuungsperson, sei diese ganz anders gefordert als zuvor. Die Sozialdienste helfen Betreuerinnen und Betreuern, die Interessen und Ansprüche der Adressatinnen und Adressaten wahrzunehmen.
Assistenzleistung auf Leistungsempfänger zugeschnitten
Die Assistenzleistungen, die mit dem neuen System einzeln erfasst werden, hat die BruderhausDiakonie schon vorher erbracht, sagt Manuel Weiblen, Referent Teilhabe zum Leben – Sozialpsychiatrie. Sie waren Teil eines Gesamtversorgungspakets. Neu ist, dass der Auftrag jetzt konkret auf den einzelnen Klienten zugeschnitten ist. Wenn ein Klient weitere Bedarfe entwickelt, dann ist nicht mehr die Einrichtung der erste Ansprechpartner, sondern er muss sich an den Leistungsträger wenden.
Mehrere Anbieter erfüllen gemeinsamen Auftrag
Zurück zum jungen Mann im Rollstuhl: Inklusive Quartiere entstehen dort, wo Angebote der Leistungserbringer vor Ort und niederschwellig im doppelten Sinne sind. Bei zunehmender Ambulantisierung werden einzelne Träger nicht mehr allein alle Bedarfe der Klientinnen und Klienten abdecken können. „Unsere zukünftige Arbeit geht nur, wenn wir uns untereinander vernetzen“, sagt Manuel Weiblen. „Das Konkurrenzdenken muss aufgelöst werden“, ergänzt Martina Mäder. Andere Anbieter müssten als Unterstützung gesehen werden, um einen gemeinsamen Auftrag zu erfüllen. Im ambulanten Bereich der Eingliederungshilfe kooperiert die BruderhausDiakonie bereits mit der Tochtergesellschaft BD mobil, einem ambulanten Pflegedienst. Potenzial für Zusammenarbeit sieht Jonas Kabsch zudem bei den verschiedenen Hilfebereichen. Die Kooperation der Eingliederungshilfe und der Sozialpsychiatrie mit der Jugendhilfe werde immer wichtiger, sagt der Geschäftsfeldleiter. „Die Menschen sind dankbar, wenn die Hilfe möglichst unkompliziert abgebildet werden kann.“ Angehörige und Betreuer seien sehr froh, wenn die Hilfe von der BruderhausDiakonie koordiniert werde.