Ein schnell heranbrausendes Auto, der fröhliche Juchzer eines Kindes, ein lauter Sound aus dem Ghettoblaster auf der Schulter eines Jugendlichen: Plötzlich auftretende Geräusche – beängstigende, fröhliche, nervende – prägen unsere Umwelt. Die meisten Erwachsenen haben gelernt, sie einzuschätzen, darüber hinwegzuhören. Manche Menschen können das nicht. Ungewohntes verunsichert sie zutiefst. Diese Menschen benötigen ein sie beschützendes Umfeld. Acht von ihnen haben auf dem Hohenberg in Horb ein Zuhause gefunden, in einer sogenannten Besonderen Wohnform Plus. Sie leben dort in einer Wohngemeinschaft. Tag und Nacht begleitet von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der BruderhausDiakonie.  

Beziehungsarbeit ohne Worte

Jeder Bewohner hat seinen spezifischen Tagesablauf, und doch ist jeder Tag anders, erzählt Jacqueline Matthé, Teamleitung und Sozialpädagogin. Sie müsse sich zu jedem Schichtbeginn neu reinfinden. „Das macht die Arbeit schön und interessant.“ Die Bewohner können ihre Bedürfnisse nicht über Sprache mitteilen. „Es fordert mich im positiven Sinn, herauszufinden, wie es einem Menschen geht, der nicht sagen kann, wie er sich fühlt.“ Sehr viel Beziehungsarbeit sei notwendig. Die Bewohner haben zugleich ein sehr feines Gespür dafür, in welcher Stimmung der andere ist. „Sie wissen das manchmal besser, als man selbst.“ 

Möglichst normalen Alltag gestalten

„Die Menschen hier sind so besonders“, sagt Matthé. Die neun Mitglieder des Betreuungsteams bringen so viel Normalität wie möglich in den Alltag: Gemeinsame Mahlzeiten, Spaziergänge, kleine Arbeitsaufträge an die Bewohner. Das Abendessen der nächsten Woche wählen die Bewohner anhand von Bildkarten am Sonntag selbst aus. Zubereitet wird es vom Betreuungsteam in der Wohngruppenküche. Die Bewohner können über eine Halbtür dabei zuschauen und so an der Zubereitung teilhaben. Zu den Höhepunkten im Tagesablauf zählt ein Bad mit viel Schaum und gut duftenden Zusätzen – das beruhigt – oder ein Besuch im Snoezelenraum, der durch ruhige Geräusche und sanfte Lichtspiele für Entspannung sorgt. Die Bedürfnisse der Bewohner, die überwiegend zwischen Mitte 20 und Ende 30 sind, unterscheiden sich von denen anderer erwachsener Menschen. 

„Gegenseitiges Vertrauen ist sehr wichtig“

Im Team sei eine hohe Motivation vorhanden, sagt Martina Mäder, Referentin Teilhabe zum Leben – Behindertenhilfe – bei der BruderhausDiakonie. Zu den Aufgaben des Teams gehört auch die Angehörigenarbeit. Regelmäßig tauschen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in großer Runde sowie mit Psychologen und Psychiatern aus. „Gegenseitiges Vertrauen ist sehr wichtig.“ 

Im Studium für beschützenden Bereich entschieden

Jacqueline Matthé erhielt erstmals während ihres Dualen Studiums der Sozialen Arbeit Einblick in den beschützenden Bereich der Behindertenhilfe der BruderhausDiakonie. „Damals habe ich mein Herz daran verloren.“ Die Herausforderung, sich so auf einen Menschen einzulassen, dass sie ohne Worte erkenne, was er braucht, reizt sie. Kleinste Entwicklungsschritte der Bewohner seien große Erfolge: Eine Flasche selbst öffnen, mit zum Einkaufen gehen, in einem Schnellrestaurant essen. Das Team möchte den Bewohnern der besonderen Wohngruppe diese Alltäglichkeiten ermöglichen. „Wir waren auch schon im Europa-Park“, erzählt Matthé. Ein großer organisatorischer Aufwand. „Die Bewohner sollen Spaß haben. Wir machen hier auch ganz viel Quatsch miteinander.“ Der größte Erfolg sei aber, wenn ein Bewohner die beschützende Wohnform verlassen könne und in eine Regelwohngruppe ziehe. 

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