Fachdienst Jugend, Bildung, Migration

Familiäres Umfeld für junge Geflüchtete in Esslingen und Deizisau

Mit Ivana Serka lernen unbegleitete minderjährige Ausländer deutsche Worte für Obst und Gemüse.

Das Landratsamt Esslingen hat Notunterkünfte für unbegleitete minderjährige Ausländer eingerichtet. Die BruderhausDiakonie übernimmt die Betreuung.

Donnerstag ist Zimmerputztag. Dann herrscht in der Unterkunft, die am Rand von Deizisau in einem Gewerbegebiet nahe der B10 liegt, rege Betriebsamkeit. Die Bewohner wechseln die Bettwäsche und reinigen ihre Zimmer, die mit jeweils zwei Stockbetten und Metallspinden ausgestattet sind. Die Fenster sind zum Lüften geöffnet, aus einem der Räume tönt laute Musik, während ein Jugendlicher gerade sein Bett neu bezieht. 29 unbegleitete minderjährige Ausländer – kurz UMA - leben im Juli 2025 in dieser Notunterkunft, die das Landratsamt Esslingen im vergangenen Jahr mit 40 Plätzen eingerichtet hat. In der Gemeinschaftsküche im Erdgeschoss kochen und essen die Jugendlichen. Im Raum daneben haben die Mitarbeitenden des Landratsamts ihr Büro. Eine weitere Notunterkunft für UMA mit 50 Plätzen gibt es in Esslingen. Bei der vorläufigen Inobhutnahme der UMA kooperiert das Landratsamt Esslingen mit der BruderhausDiakonie, die ein Betreuungskonzept entwickelt hat. Von Montag bis Freitag ist an jedem Standort ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin der BruderhausDiakonie vor Ort, erklärt Ivana Serka vom Fachdienst Jugend, Bildung, Migration Nürtingen. Als Teamleiterin koordiniert sie die Betreuungsleistungen der BruderhausDiakonie. 

Keine freien Plätze in den Wohngruppen der Jugendhilfe

Während in Deizisau vorwiegend Jugendliche aus Syrien, Afghanistan und der Türkei wohnen, seien in Esslingen vor allem Ukrainer und Afrikaner untergebracht, erklärt eine Mitarbeiterin des Landratsamts. „UMA-Übergangswohnen nennt sie das Angebot, das die Behörde für unbestimmte Zeit geschaffen hat, weil es in den Wohngruppen der Jugendhilfeeinrichtungen keine freien Plätze für die jungen Geflüchteten gab. Die Sozialbetreuerin des Landratsamts und ihre Kolleginnen und Kollegen teilen die Geflüchteten zum Küchendienst ein. Es gibt einen Putzplan für die Toiletten und Duschen sowie für die Hofreinigung. Die Mitarbeitenden der Behörde kümmern sich um Verwaltungs- und Organisationsaufgaben sowie die Erstversorgung der Geflüchteten. Sie pflegen die Kontakte zum Bezirkssozialdienst, zur Schule und den Amtsvormündern, die für jeden der Minderjährigen benannt werden. Die Jugendlichen seien auf unterschiedlichsten Wegen nach Deutschland gekommen: mit dem Flugzeug, mit Schleppern im Auto oder teilweise sogar zu Fuß, berichtet die Sozialbetreuerin des Landratsamts: „Jeder hat ein gewisses Trauma-Paket mitgebracht.“ 

Erwerb von Deutschkenntnissen steht im Vordergrund

Ivana Serka und ihr sechsköpfiges Team von der BruderhausDiakonie begleiten die jugendlichen Geflüchteten im Auftrag des Landratsamts zu Arztterminen und bei Behördengängen. Dazu zählen Termine bei Gericht, bei der Arbeitsagentur oder auch die Besichtigung einer Wohngruppe, in der ein Platz frei geworden ist. Ist das Alter eines Jugendlichen unklar, weil er beispielsweise ohne Papiere eingereist ist, wird das Alter medizinisch festgestellt. Mitarbeitende der BruderhausDiakonie begleiten den Minderjährigen zur Untersuchung. Als zweite Säule der Dienstleistungen nennt Serka die Freizeitgestaltung in Einzel- und Gruppenangeboten, bei denen der Spracherwerb eine große Rolle spielt. Montags bis donnerstags bietet ihr Team in Deizisau Deutschkurse an. Das Angebot sei für die Bewohner, die noch keinen Schulplatz haben, verpflichtend, erklärt die Sozialpädagogin. Über 16-Jährige besuchen die sogenannten VABO-Klassen in den beruflichen Schulen, in denen der Erwerb von Deutschkenntnissen im Vordergrund steht. Eine Aufnahme ist meist nur zum Halbjahresbeginn möglich. So stehen die Minderjährigen oftmals über Wochen und Monate ohne Schulplatz da. Dazu kommt: Das Bildungsniveau reicht vom Analphabeten bis zum Abiturienten. Der Schulunterricht in den großen Klassen überfordere viele, weiß Serka. „Hier docken wir mit unserem Deutschunterricht an und können dabei gezielt auf die Bedürfnisse des Einzelnen eingehen.“  

Beziehungsaufbau und Begleitung in die Selbstständigkeit

Hinzu kommen freizeitpädagogische Angebote: Ostereierfärben, Fastenbrechen während des Ramadans oder der Besuch des Faschingsumzugs in Stuttgart oder des Zoos Wilhelma. „Wir sind im Alltagsleben die Brücke nach außen“, sagt Ivana Serka. Beziehungsaufbau und Begleitung in die Selbstständigkeit nennt sie als zentrale Aspekte des Angebots der BruderhausDiakonie. „Das A und O für uns ist, regelmäßig hier im Haus zu sein. So können die Jugendlichen mit uns ins Gespräch kommen, ihre Fragen loswerden – zum deutschen Schulsystem, zu Berufswegen, zu Alltagsfragen oder auch zu kulturellen oder religiösen Aspekten.“ Die Sozialbetreuerin des Landratsamts ergänzt: „Wir bieten ein vertrauliches, familiäres Umfeld und versuchen dabei nicht zuletzt, die täglichen Höhen und Tiefen, die die Jugendlichen durchleben, pädagogisch zu jonglieren.“  

Autorin: Ulla Hanselmann