Hildegard Hank tippt konzentriert auf den Bildschirm. Buchstaben werden zu Wörtern, daraus ein kurzer Satz. Nach einem weiteren Klick liest das Tablet vor: „Ich habe Durst.“ Hank lacht, sie ist begeistert. Es klappt. Die 76-Jährige sitzt im Rollstuhl, hört schwer und spricht nur undeutlich. Sie kann aber lesen und schreiben. Seit Jahren lebt sie in einer Wohngruppe mit Schwerpunkt Pflege der Behindertenhilfe Reutlingen. Das neue, speziell angepasste Tablet hat sie erst kürzlich erhalten. Betreuerin Ranka Kollmannthaler ist überrascht, wie schnell die Klientin den Umgang mit der neuen Technik lernt. „In den letzten Jahren wurde es immer schwieriger, mit ihr zu kommunizieren, deshalb mussten wir etwas unternehmen“, erzählt Kollmannthaler.

Nicht verstanden zu werden macht unzufrieden

Bevor Hildegard Hank das Tablet erhielt, äußerte sie ihre Wünsche mimisch, mit Gesten oder mit Text- und Bildkarten. „Die Karten gingen aber immer wieder verloren und konnten eben nur Vorformuliertes ausdrücken“, berichtet Betreuerin Kollmannthaler. Es mache unzufrieden, Bedürfnisse nicht äußern zu können und nicht verstanden zu werden. Nach mehreren Beratungen und entsprechender Diagnostik füllte sie einen Einschätzungsbogen für die Krankenkasse aus. „Wir sind dann schnell auf das sprach- und bildbasierte Tablet als Hilfsmittel gekommen“, so Kollmannthaler.

Die Technik muss im Alltag eingesetzt werden

„Methoden der unterstützten Kommunikation sind wie eigene Sprachen, die man sich aneignen muss, so wie ein Kind Sprache erlernt“, erläutert Bettina Benke vom Heilpädagogischen Fachdienst der Behindertenhilfe Reutlingen. „Die Technik alleine bringt nichts“, weiß sie. „Sie muss im Alltag eingesetzt werden.“ Unterstützte Kommunikation sei ein Grundrecht und das Recht auf Unterstützung und Förderung bei Einschränkungen sei im Bundesteilhabegesetz verankert, betont Benke. „Je besser die Kommunikation funktioniert, desto weniger Verhaltenskonflikte gibt es“, sagt Benke. Schon lange werde deshalb auf analoge Mittel wie bebilderte Dienst- und Wochenpläne und im Idealfall auf Gebärdensprache gesetzt. Einem Menschen aus dem Autismusspektrum etwa würden Abläufe wie das Duschen mit Piktogrammen erklärt. Ein „Time-Timer“ mache Zeitspannen sichtbar. „Das schafft Vorhersehbarkeit und Sicherheit“, weiß die Expertin. Der Vorteil der elektronischen Hilfsmitteln sei, dass Betroffene einen Dialog auch von sich aus beginnen können. „Das verleiht ihnen eine Stimme“, betont Benke. Sie empfiehlt deshalb, analoge und elektronische Kommunikationsformen parallel zu nutzen, nach dem Motto: „Viel hilft viel.“