Michael Donth, Mitglied des Bundestags, tauschte am Gustav-Werner-Tag seinen Parlamentssessel in Berlin mit einem Platz am Tisch der Gemüsegruppe der BruderhausDiakonie. Statt Laptop und Mikrofon nutzte er das Küchenmesser. Gemeinsam mit rund 15 Beschäftigten der Werkstätten Reutlingen schälte er in der Gemeinschaftsküche Zwiebeln und Karotten für eine Gemüsesuppe. Die Arbeit ging dem Hobbykoch flott von der Hand. Auch Valdo Lehari jr., Verleger und Geschäftsführer des Reutlinger General-Anzeigers, sowie Andreas Lingk, Kaufmännischer Vorstand der BruderhausDiakonie, halfen mit, die Zutaten für die Großküche vorzubereiten. Hier werden täglich rund zweitausend Mahlzeiten gekocht.

Sich bei der Arbeit persönlich kennenlernen

Beim gemeinsamen Schälen am Küchentisch war viel Gelegenheit zum Austausch mit den Beschäftigten. Sie informierten, dass das Gemüse auch vom hauseigenen Biolandhof Bleiche in Bad Urach kommt. Und sie erkundigten sich nach dem Arbeitsalltag des Bundestagsabgeordneten in Berlin und berichteten über ihre Ausflugsziele. Auch die Geschichte der freien Reichsstadt Reutlingen war Thema. Valdo Lehari erklärte den Beschäftigen beispielsweise, warum Reutlingen kein Schloss hat.

Im selben Gebäude wie die Gemüsevorbereitung ist das Betriebsrestaurant, Einsatzort am 8. März 2024 für Prof. Dr. Markus Nawroth, Bereichsleiter Standortmarketing und Netzwerke der Industrie- und Handelskammer Reutlingen sowie Stiftungsrat der BruderhausDiakonie. Er tauschte für seinen Einsatz den Business-Look mit Kittel und Haube – Vorschrift. Im Betriebsrestaurant erhalten Beschäftigte und Angestellte die Mahlzeiten, deren Zutaten in Teilen in Handarbeit vorbereitet worden sind. Rasch war das 14-köpfige Ausgabeteam per Du – „eine vertrauensbildende Maßnahme“, so Nawroth. Wer vor Ort die Führung inne hatte, klärte sich von selbst – die mit der Arbeit Vertrauten. Sie wiesen Bereichsleiter Nawroth ein und erledigen gemeinsam die Frühstücksausgabe.

Arbeitsplätze bieten Services für die Öffentlichkeit

Beeindruckt vom Engagement der Klientinnen und Klienten zeigte sich Ingrid Peters, Stiftungsratsvorsitzende der BruderhausDiakonie, bei ihrem Einsatz im Kraftfahrzeug-Service in Reutlingen. Dort arbeiten 16 Menschen mit Behinderung oder psychischer Erkrankung in Voll- und Teilzeit, darunter vier Frauen. Neben Lederpflege, Reifenglanz und Politur finden Kundinnen und Kunden ein breites Angebot rund um die Innen- und Außenpflege ihres Fahrzeugs. „Stärker als ihr Hochdruckreiniger zu Hause sei der massive Wasserstrahl bei der Autoreinigung gewesen“, sagte Peters nach getaner Arbeit, die sie gemeinsam mit Prof. Dr. Bernhard Mutschler, Theologischer Vorstand der BruderhausDiakonie, erledigte. Beide säuberten mehrere Fahrzeuge und waren sich am Ende einig, dass sie mit eigenen Fahrzeugen wiederkommen werden. Blitzblank seien die Autos, die im Kfz-Service noch von Hand gereinigt werden.

Menschen mit Behinderung pflegen

Imposant ist der Ausblick der Panorama-Wohngemeinschaft in Reutlingen. Auf der einen Seite blicken die Bewohnerinnen und Bewohner auf das ehemalige Krankenhäusle und das bunte Treiben im Bürgerpark, auf der anderen Seite haben sie die ein- und ausfahrenden Züge am Reutlinger Bahnhof genau im Blick. „Das ist für einen unserer Bewohner ganz wichtig“, sagte Teamleiterin Lena Biegall, während sie ihre Gäste, Oberbürgermeister Thomas Keck und Dr. Tobias Staib, Fachlicher Vorstand der BruderhausDiakonie, durch die Gänge führte. 18 Menschen teilen sich das weitläufige obere Stockwerk. Hier wohnen ältere Menschen mit Behinderung und erhöhtem Pflegebedarf, die in einer herkömmlichen Wohngruppe nicht mehr leben können, sei es weil die Räumlichkeiten nicht mehr passen oder das spezifische Pflege-Know-how fehlt, erklärte Reiner Steffan, Bereichsleiter Fachpflege und tagesstrukturierende Angebote.

Alltagsbegleiterinnen helfen den Tag zu gestalten, beispielsweise mit Kreativarbeiten wie Osterkarten anfertigen. Rasch wurden im Beisein der Gäste Stifte und Scheren herumgereicht. „Die Karten schicke ich meiner Verwandtschaft“, klärte eine Bewohnerin Oberbürgermeister Keck auf. Er wählte für sich eine weinrote Karte. „Ich bin Sozialdemokrat, ich kann teilen.“ Sein Spruch löste Gelächter aus. Eine Bewohnerin legte Thomas Keck und Tobias Staib Bleistifte hin – Zeit, um Linien vorzuzeichnen fürs spätere Beschriften der Karte, bedeutete sie ihnen.

Das Angebot der Biohöfe bringt Menschen zusammen

Anna Bierig, Geschäftsführerin Stadtmarketing und Tourismus Reutlingen hatte bei ihrem Einsatz auf dem Bioland Hofgut Gaisbühl tierischen Kontakt: 28 Schafe und fünf Alpakas hatte sie mit den Werkstattbeschäftigten zu versorgen und den Stall auszumisten. Auf der Weide angekommen war Rockys Kopf dem von Anna Bierig für einen kurzen Moment ganz nah. Das dreijährige Alpaka gehört zu den neueren Tieren auf dem Reutlinger Hof, der regelmäßig von Schulklassen und Kindergärten besucht wird wie die Marketingchefin erfuhr. Von ihrem Einsatz am Gustav-Werner-Tag und der engen Zusammenarbeit mit Klientinnen und Klienten war Bierig beeindruckt, vor allem von der Offenheit der Beschäftigen, die sie gleich am frühen Morgen in die Stallarbeit eingewiesen hatten. Rund 60 Arbeitsplätze bieten die Werkstätten der BruderhausDiakonie auf dem Bioland Hofgut Gaisbühl samt Hofladen. „Das Hofgut gliedert sich optimal ins Biosphärengebiet Schwäbische Alb ein“, sagte Bierig beim Austausch mit Leiter Daniel Pfeiffer, „in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht.“

Für Tiere zu sorgen, heißt verantwortlich zu sein

Auch im Stall tätig und mit Tieren unterwegs waren Ulrike Holzbrecher, Bürgermeisterin Hayingen, und Dr. Christian Rose, Stiftungsrat der BruderhausDiakonie. 30 Klientinnen und Klienten nehmen das Angebot der tiergestützten Pädagogik in Münsingen-Buttenhausen wahr, erfuhren die freiwillig Engagierten des Gustav-Werner-Tags. Die Tiere in der BruderhausDiakonie sorgen unter anderem dafür, dass psychisch erkrankte Menschen motiviert sind, aufzustehen. Mit der Verantwortung für Futter und für die Sauberkeit im Stall hat ihr Tag eine sinnvolle Aufgabe. Alle Teilnehmerinnen des Gustav-Werner-Tags trafen sich zum Austausch im Gustav Werner Forum im ehemaligen Krankenhäusle. Ihr Resümee brachte Valdo Lehari jr., einer der Schirmherren der Veranstaltung, auf den Punkt: „Jeder Standort, jedes Angebot ist individuell, eine Vielfalt für Menschen mit Unterstützungsbedarf. Es ist besonders, was Gustav Werner im 19. Jahrhundert geschaffen hat."

Weitere Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Gustav-Werner-Tags:

Gabriele Janz,
Fraktionssprecherin Grüne,Gemeinderat Stadt Reutlingen.
Sie unterstützte im Seniorenzentrum am Markwasen die Bewirtung der Bewohnerinnen und Bewohner.

Jo Jerg, ehemals Leiter Campus Reutlingen der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg.
Er half Werkstattbeschäftigten beim Verpacken von Versandgut.

Friedel Kehrer-Schreiber, Bezirksbürgermeisterin Bronnweiler.
Die auch als „Bronnweiler Weib“ bekannte schwäbische Liedermacherin und Mundart-Kabarettistin half im Seniorenzentrum Gönningen in der Tagespflege. Sie sorgte mit Humor und lebendigen Geschichten über Land und Leute für eine fröhliche Stimmung.

Thomas Poreski, Mitglied des Landtags, Grüne.
Er bewirtete Klientinnen und Klienten in der Besonderen Wohnform mit Schwerpunkt Pflege auf dem Gaisbühl mit Kaffee und Kuchen.