Johnny liebt Kaffee und fährt eine Harley. Klaus ist Musikliebhaber und Besitzer eines Labradors. Das sind die beiden Hauptpersonen in einem ganz besonderen Krimi – dem Erstlingswerk von Menschen mit Behinderung, die in den Reutlinger Werkstätten der BruderhausDiakonie arbeiten.

Workshop mit Krimiautor Michael Kibler

In einem dreitägigen Workshop Ende Juli sammelten die Beschäftigten ihre Ideen, unterstützt von Krimiautor Michael Kibler aus Darmstadt. Gemeinsam erarbeiteten sie Figurenprofile und Verbrechensformen, Motive und Handlungslinien. Selbstgestaltete Indizien lieferten dafür die nötige Inspiration. Mit Notizblock und Stift ausgestattet, streifte die Gruppe durch Reutlingen auf der Suche nach Tatorten. Alles, was auffiel, wurde aufgeschrieben – „von Sehenswürdigkeiten wie der Marienkirche bis hin zu gelben Quietscheentchen in Schaufenstern“, so Michael Kibler. Ein Riesenspaß für die Beschäftigten, wie Brigitte Kraus stellvertretend für ihre Teamkollegen berichtete: „Wir haben uns echt scheckig gelacht, es war immer witzig.“

„Für uns alle ist das eine echte Premiere“, sagte Anita Gauß, Koordinatorin der Bildungsangebote der Werkstätten. Im Februar hatte sie mit Werkstattbeschäftigten einen ähnlichen Krimi in leichter Sprache gelesen. Danach stand für die Gruppe fest: „Das wollen und können wir auch.“

Leichte Sprache hilft auch Migranten und Analphabeten

Die BruderhausDiakonie kam diesem Wunsch gern nach: „Menschen mit Behinderung können sich hier in einer anderen Rolle erleben“, erklärte Anita Gauß. Außerdem gebe es viel zu wenig erwachsenengerechte Literatur in leichter Sprache. Ein gut verständlicher Krimi mit einfachen Formulierungen wäre zudem auch für andere Menschen ein Gewinn, etwa für Migrantinnen und Migranten oder Analphabeten, die gerade lesen und schreiben lernen. Von diesen Argumenten ließ sich auch der promovierte Germanist und Schriftsteller Michael Kibler schnell überzeugen, der bereits etliche Krimis verfasst hat.

In den nächsten Monaten wird Michael Kibler anhand der Notizen und Ideen der Beschäftigten mehrere Handlungsskizzen erstellen. Die Menschen mit Handicap werden dann einen Vorschlag auswählen, auf dessen Basis Kibler als „Ghostwriter“ einen Text in leichter Sprache schreibt. Nach eingehender Prüfung durch die Gruppe soll der Krimi nächstes Jahr in einer Auflage von 1000 Stück erscheinen.