Wer Macht hat, besitzt ein Instrument, Gutes zu bewirken. Er oder sie kann anderen helfen, „ein eigenständiger Mensch zu sein“, sagte Ulrich Lilie, ehemaliger Präsident der Diakonie Deutschland, im abendlichen Dialog mit dem geistlichen Leiter des Klosters Kirchberg, Dr. Frank Lilie. Menschen in Führungspositionen hätten die herausfordernde Aufgabe, andere für das zu gewinnen, was erreicht werden soll. Wichtig sei ein Austausch auf Augenhöhe und das eigene Tun immer zu reflektieren. Das beuge Machtmissbrauch vor.

Rund 50 Führungskräfte nahmen am 17. Kirchberger Dialog, organisiert von BruderhausDiakonie, Samariterstiftung und dem Kloster Kirchberg teil. Das Programm vom 29. bis 31. Januar 2024 im Kloster bei Sulz am Neckar umfasste neben Vorträgen, Diskussionen und Workshops auch Andachten und ein kulturelles Abendprogramm mit Liedern von Clara und Robert Schumann.

Wer von anderen bewundert wird, hat Macht

Der Philosoph und Publizist Prof. Philipp Hübl zeigte im morgendlichen Impuls auf, welchen Einfluss Kultur auf das Machtverständnis hat. In der Ehrenkultur, erläuterte Hübl, steht das unbeschädigte Ansehen der Person an oberster Stelle, das Handeln werde davon bestimmt, wie andere Gesellschaftsmitglieder darüber denken. Er unterschied davon die Würdekultur, welche die moderne westliche Welt präge. In ihr werde besonders anerkannt, wer viel leistet, viel besitzt und attraktiv ist. „Menschen ordnen sich freiwillig unter, weil sie den anderen bewundern“, sagte Hübl. „Soziale Macht hat, wer andere dazu bringen kann, etwas zu tun, das nicht dem Naturell des- oder derjenigen entspricht.“ Große Macht bringe große Verantwortung mit sich. Die universellen Werte der Würdekultur seien Freiheit, Fairness und Fürsorge.

Hermann Klos, Geschäftsführer der Holzmanufaktur Rottweil, berichtete, wie in einem mittelständischen Unternehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beteiligt werden können. So werden in seinem Betrieb Zukunftsanliegen des Teams aufgegriffen. Nicht Führen durch Macht stehe im Betrieb im Vordergrund, sondern die Freude an der Arbeit.

Gefühle und Vernunft ansprechen

Die Psychoanalytikerin Dr. Maja Storch geht davon aus, dass Willenskraft und somit Motivation dadurch entsteht, dass Verstand und Gefühl synchronisiert werden. Dabei wendet sie das Modell des „Strudelwurms“ an.  Neurowissenschaftlich fundiert, erläuterte sie das Bild, das dafür steht, dass Menschen in einer Situation, noch bevor das Denken einsetzt, Gefühle spüren. Für Führungskräfte bedeute dies, dass sie auf diese „Würmlis“ in den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Rücksicht nehmen müssen, um die Motivation zu steigern und so ein Ziel zu erreichen.

Menschenwürde vorleben

Oberst a. D. Reinhold Janke stellte am Beispiel der Werteorientierung der Bundeswehr Führungsprinzipien vor, die deutlich machen, dass Hierarchie und Machtausübung, wenn sie klar und transparent sind, aus seiner Sicht für Sicherheit sorgen können und Teilhabe, Selbstständigkeit und Freiheit nicht ausschließen. „Wer Menschenwürde verteidigt, muss Menschenwürde leben.“  

Der Titel der Veranstaltung „Verantwortung.Macht.Aufbruch“ wird den Führungskräften und Verantwortungsträgern noch lange in Kopf und Ohr sein, sagte Mitorganisatorin Ulrike Haas, Geschäftsfeldleitung Jugendhilfe der BruderhausDiakonie. Erinnere er doch daran, dass in Verantwortung „Antwort“ stecke. Und es sei Aufgabe der Führung, diese zu geben.