Altin Demir* greift gleich mehrfach zu und schöpft große Portionen Spätzle auf seinen Teller. Seine Augen strahlen, so gut schmecken ihm die selbst gemachten Teigwaren. Kein Wunder: Der Dreizehnjährige war an der Herstellung von Anfang an beteiligt. Er nimmt am Projekt "Gesunde Ernährung" der Jugendhilfen Deggingen teil. Im Projekt lernen Kinder und Jugendliche gesunde und vollwertige Lebensmittel kennen, erwerben Alltagsfähigkeiten und gewinnen Selbstvertrauen. Gemeinsam mit dem Sozialpädagogen Markus Seibold hat Altin das Mehl für die Spätzle in der örtlichen Mühle eingekauft. Dort nutzte der Schüler gleich die Gelegenheit und fragte mit Seibolds Unterstützung nach einem Praktikumsplatz. In der Schule stehen Berufsorientierungstage an, und der Besuch in der Mühle hat ihn neugierig gemacht: „Wie werden die verschiedenen Mehlsorten produziert?“, möchte er wissen.

Alltagspraktische Grundfähigkeiten erwerben

Markus Seibold ist Bereichsleiter Hilfe zur Erziehung bei den Jugendhilfen Deggingen der BruderhausDiakonie im Landkreis Göppingen. Er hat für Altin Demir eine Erziehungsbeistandschaft übernommen. Diese Einzelfallhilfe wird von der sorgeberechtigten Person beantragt und soll Kindern und Jugendlichen helfen, Entwicklungsprobleme zu bewältigen. Ein Ansatz dabei ist beispielsweise, grundlegende Erfahrungen nachzuholen und alltagspraktische Fähigkeiten wie das Zubereiten von Mahlzeiten zu vermitteln. Seibold hält das Thema Ernährung noch aus einem weiteren Grund für wichtig: „Wir sehen, dass viele Kinder mit Fast Food und Softdrinks aufwachsen und nur selten vollwertige Nahrung erhalten“, erläutert er. Das Essverhalten werde in der Kindheit geprägt: „Wer mit Fertigmahlzeiten aufwächst, wird später höchstwahrscheinlich nicht zu Gemüse und Vollkornprodukten greifen.“ In dem aus Spenden ermöglichten Projekt „Gesunde Ernährung“ erlebten 60 Kinder und Jugendliche häufig erstmals, was eine ausgewogene Ernährung ist. Die jungen Menschen leben im Kreis Göppingen und werden mit Sozialer Gruppenarbeit, Einzelfallhilfe sowie Sozialpädagogischer Familienhilfe unterstützt.

Kochen können schenkt Sicherheit

Das Projekt ist ganzheitlich angelegt: Das Zubereiten von Mahlzeiten gibt den Kindern und Jugendlichen Selbstvertrauen, ein Kochkurs verschafft besondere Geschmackserlebnisse. Weil die Jugendhilfen Deggingen im ländlichen Raum verortet sind, besuchen die jungen Menschen landwirtschaftliche Betriebe und Produktionsstätten. Sie erfahren, wo die Nahrungsmittel herkommen und was Begriffe wie „bio“, „regional“ und „saisonal“ bedeuten. Weitere Lernfelder sind der Umgang mit Geld, das Einkaufen, Zahlen und Maßeinheiten, Lebensmittelhygiene sowie Arbeitsroutinen in der Küche, die auch motorische Fähigkeiten schulen.Die Regelfinanzierung seitens des Jugendamts deckt das Zubereiten gesunder, vollwertiger Mahlzeiten mit regionalen und saisonalen oder gar biologisch erzeugten Lebensmitteln nicht ab. Die Projektkosten der Jugendhilfen Deggingen von 5.500 Euro sind über Spenden zwar für das Jahr 2023 zunächst gesichert. Markus Seibold und seine Kolleginnen und Kollegen möchten das Projekt aber weiterführen – damit Kinder wie Altin auch künftig erfahren können, wie viel Spaß Spätzlekochen macht und wie gut selbstgemachte Spätzle schmecken.

* Name von der Redaktion geändert.