Deutschlehrerin Lisa Bauer pinnt ein Foto an die Tafel: Ein Bergsteiger, der bei Sonnenaufgang eine Flagge auf einem Gipfel hisst. Zwölf Schülerinnen und Schüler haben es ausgesucht. Sie besuchen das Vorqualifizierungsjahr Arbeit und Beruf (VAB) der einjährigen Sonderberufsfachschule an der Reutlinger Wilhelm-Maybach-Schule. Das Hissen der Flagge auf dem Berggipfel steht symbolisch für die Ziele, welche die Jugendlichen erreichen wollen: den Hauptschulabschluss und anschließend eine Berufsausbildung beispielsweise als Lackierer, Optikerin oder Verkäuferin. 

Im VAB lernen Jugendliche mit besonderem Förderbedarf für den Hauptschulabschluss. Im Klassenzimmer in der Ringelbachstraße überlegen sie: "Was hilft uns auf dem Weg zu unseren Zielen?" Bergsteiger nehmen Müsliriegel, Stirnlampe, Seil und Steigeisen mit. „Man muss ein Macher sein, um seine Ziele zu erreichen“, sagt Hamudi. Unterstützung erhoffen sich die Jugendlichen von Freunden, Familie, Lehrern sowie Betreuern von der Arbeitsagentur. Ein gutes Unterrichtskonzept und eine schöne Lernatmosphäre trügen ebenso dazu bei Teilziele zu erreichen wie die Yucca-Palme, die von den Jugendlichen gehegt und gepflegt wird.

Trainingsprogramm hilft mit Stress umzugehen

Die Klasse arbeitet im Deutsch-Unterricht mit dem LARS- und LISA-Programm. Das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg stellt das Trainigsprogramm zur Verfügung. LARS und LISA ist ein Präventionsprogramm gegen Depression und Stress und soll den Jugendlichen helfen, ihre speziellen beruflichen Interessen zu entdecken und zu entwickeln. Auf spielerische Weise lernen die jungen Menschen, sich Ziele zu setzen und darauf hinzuarbeiten. Konflikt- und Stresssituationen werden ihnen so bewusst. 

Kein Schüler und keine Schülerin in der VAB-Klasse der Wilhelm-Maybach-Schule hat einen einfachen Bildungsweg hinter sich. Einige sind erst seit drei oder vier Jahren in Deutschland. Für sie ist die deutsche Sprache eine große Hürde auf dem Weg zur Berufsausbildung. Andere waren in verschiedenen Förderschulen, hatten Privatunterricht oder wurden mit Maßnahmen des Arbeitsamts gefördert, bevor sie in eine von vier VAB-Klassen der Wilhelm-Maybach-Schule kamen.

Im Rollenspiel das Bewerbungsgespräch trainieren

Theorie- und Praxisphasen wechseln sich im Unterricht ab. Einige Fächer werden von zwei Lehrkräften gleichzeitig unterrichtet, sodass die Schülerinnen und Schüler umfangreicher betreut sind. In Rollenspielen reflektieren die Jugendlichen Alltagssituationen wie den Besuch beim Jobcenter, sie diskutieren Konfliktsituationen und trainieren Bewerbungsgespräche. Ein Betriebspraktikum vermittelt erste berufliche Erfahrungen. Die in der VAB-Klasse geschlossenen Kontakte bleiben häufig über die Ausbildungszeit hinaus bestehen, erzählt Lehrerin Lisa Bauer. Wenn sie später einen ihrer Schüler als einfühlsamen Krankenpfleger oder eine ihrer Schülerinnen als selbstbewusste Verkäuferin wiedertrifft, wisse sie: Der Weg war das Ziel – das Gipfelstürmen hat sich gelohnt.

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